Defektorientiertes Onlay mit Kavitätenoptimierung und Verlegung des zervikalen Kavitätenrands
Einleitung
Die Entscheidung, einen stark kariösen vitalen Zahn zu restaurieren und der entsprechende Arbeitsablauf hängen von mehreren Faktoren, wie den Versorgungsoptionen (direkte oder indirekte Restaurationen), der Wahl des Materials bei indirekten Restaurationen (Komposit oder Keramik), der Präparation (defektorientiert, substanzschonend) und Detailaspekten des klinischen Vorgehens (Kavitätenform, adhäsive Befestigung) ab 1,2.
In den letzten Jahrzehnten gab es einen ständig wachsenden Trend hin zu minimalinvasiven Restaurationen und zur Erhaltung der wertvollen Zahnhartsubstanz, welcher inzwischen durch die rasche Entwicklung hochfester Restaurationsmaterialien und hochwertiger, leistungsfähiger Befestigungsmaterialien unterstützt wird.
Für die Herstellung von Inlays und Onlays können verschiedene Techniken und eine Vielfalt von Materialien genutzt werden. Die Entscheidung darüber, welche Technik und welches Material zum Einsatz kommen, sollte aber von der individuellen klinischen Situation ausgehen und evidenzbasiert getroffen werden. Für ausgedehnte Kariesläsionen stark zerstörter bzw. kariöser Zähne und insbesondere bei dünnen Kavitätenwänden werden indirekte Restaurationen anstelle direkter Füllungen empfohlen, da letztere infolge der Polymerisationsschrumpfung ungünstige Spannungen in der Restzahnhartsubstanz hervorrufen können 1–7.
CAD/CAM-Komposite bieten als Materialien für Inlays und Onlays gegenüber Keramiken mehrere Vorteile, zu denen die einfache Herstellung der Restaurationen, geringere Kosten und die unkomplizierte Reparatur zählen 3.
Ein Problem bei indirekten Restaurationen besteht darin, einen Mittelweg zwischen dem Substanzerhalt und einer stabilen und geeigneten Präparationsform zu finden.
In diesem Zusammenhang erweisen sich Behandlungstechniken wie die sofortige Dentinversiegelung (Immediate Dentin Sealing, IDS), die Kavitätenoptimierung (Cavity Design Optimization, CDO) und die Verlegung zervikaler Ränder (Cervical Margin Relocation, CMR) als sehr hilfreich, um nicht unnötig Zahnhartsubstanz opfern zu müssen. So ist für das Einsetzen indirekter Restaurationen eine leichte Konvergenz der Kavitätenwände erforderlich. Sind unter sich gehende Stellen vorhanden, müsste gesunde Substanz entfernt werden, um diese Konvergenz herzustellen. Solche Unterschnitte können aber auch im Sinne der CDOTechnik ausgefüllt werden, sodass keine Substanz geopfert werden muss. Die genannten klinischen Techniken wurden ursprünglich von Dietschi und Spreafico 8,9 eingeführt und werden in mehreren Publikationen beschrieben 1–4. Der in diesem Artikel vorgestellte klinische Fall nutzt mehrere dieser Konzepte und illustriert ihre Anwendung in anspruchsvollen Situationen.
Inzwischen ist die IDS umfassend untersucht, und die Literatur zeigt mehrere Vorteile dieser Technik auf8–12. Ein Dentinadhäsiv vor der Abformung auf das frisch präparierte Dentin zu applizieren, führt unter anderem zu einer geringeren Dentinüberempfindlichkeit, einer höheren Haftung, geringerer Spaltbildung und damit einer reduzierten bakteriellen Leakage (Auslaufen)10,11. Zudem wurde gezeigt, dass eine IDS die Festigkeit der Restaurationen, insbesondere dünner okklusaler Veneers, erhöht 13.
Die CDO-Technik erfolgt mit der Applikation eines Kavitäten-Liners (in der Regel fließfähiges Komposit) direkt nach der IDS, um alle unter sich gehenden Stellen zu füllen und die Kavitätengeometrie zu optimieren1–3,8. Allgemein werden anstelle von klassischen Restaurationskompositen fließfähige Komposite mit hohem Füllstoffanteil empfohlen, da diese sich gut handhaben lassen2,3. Heute sind diese Komposite in verschiedenen Viskositäten verfügbar, sodass der Zahnarzt nach seinen persönlichen Präferenzen wählen kann. Im hier gezeigten Fall wurden zwei fließfähige Komposite mit unterschiedlicher Viskosität eingesetzt.
Bei stark zerstörten Zähnen können sich Abschnitte des Kavitätenrands subgingival befinden und dadurch die Abformung erschweren. Auch die korrekte adhäsive Befestigung, die für minimalinvasive Teilrestaurationen erforderlich ist, wird gestört. In solchen Fällen ist eine CMR hilfreich sein. Nach dem Anlegen und Anpassen der Matrize erfolgt die CMR-Technik, d. h. die Anhebung tiefer approximaler Kavitätenränder mit einem Komposit 2,3,8,9.
Im hier gezeigten Fall kombinierte der Behandlungsplan mehrere evidenzbasierte Behandlungskonzepte und -techniken 2– 5,14–16 für die Versorgung eines stark zerstörten Zahns 16 mit einem indirekten CAD/CAM-gefertigten Onlay.
Fallvorstellung
Ein 32-jähriger Patient wurde mit einem wurzelbehandelten, provisorisch versorgten Zahn 16 vorstellig. Der Parodontalstatus war insgesamt stabil und die Mundhygiene gut. Weitere Kariesläsionen fanden sich nicht. Unter dem Aspekt eines synoptischen Behandlungskonzept war deshalb keine Vorbehandlung erforderlich. Der Patient wurde über alle möglichen Therapiemöglichkeiten aufgeklärt, angefangen bei einer klassischen Vollkrone. Empfohlen wurde ihm jedoch ein minimalinvasives defektorientiertes Overlay, wofür er sich auch entschied. Nach der Entfernung der provisorischen Füllung zeigte sich, dass der distopalatinale sowie beide bukkalen Höcker stark unterminiert waren und die Wanddicke hier unter 1 mm lag. Nach Exkavation der Restkaries kam zudem der mesiale Kavitätenrand subgingival zu liegen (Abb. 1).

Abb. 1 Situation nach Entfernung der provisorischen Füllung und Kariesexkavation: tief subgingivaler mesialer Kavitätenrand.
Klinische Vorgehen
Beim ersten Termin wurde den Karies entfernt. Anschließend wurde Kofferdam angelegt und die Ligaturen, ein Matrizenband sowie ein Keil so platziert, dass der weit subgingival liegende mesiale Rand mit trockengelegt war (Abb. 2). Das gesamte exponierte Dentin wurde im Sinne einer IDS nach einer Phosphorsäureätzung (K-Etchant Syringe, Fa. Kuraray Noritake Dental, Japan) auf dem Schmelz für 30 s und auf dem Dentin für 10 s mit einem Ein-Flaschen-Universaladhäsiv (Clearfil Universal Bond Quick, Fa. Kuraray Noritake Dental) versiegelt (Abb. 3). Das Universaladhäsiv wurde entsprechend den Herstellerangaben appliziert und für 3 s in die Zahnhartsubstanz eingerieben, gefolgt von einer schonenden Lufttrocknung und Lichthärtung für 10 s (Elipar 2500, Fa. 3M, Neuss, Deutschland). Unmittelbar nach der IDS erfolgte die Anhebung des tiefen mesialen Randes auf ein supragingivales Niveau wobei ein fließfähiges Komposits (Clearfil Majesty ES Flow Low A3, Fa. Kuraray Noritake Dental) zum Einsatz kam, das sehr sorgfältig adaptiert und dann 20 s lichtgehärtet wurde (Elipar 2500, Fa. 3M). Schließlich wurde die CDO durchgeführt, um alle scharfen Ränder zu versiegeln und die Unterschnitte auszufüllen. Hierbei kam ein visköseres fließfähiges Komposit mit hohem Füllstoffanteil (Clearfil Majesty ES Flow Super Low A3, Fa. Kuraray Noritake Dental) zum Einsatz, das sich aufgrund seiner geringeren Fließfähigkeit leichter in einem Inkrement adaptieren lässt, bevor die Lichthärtung erfolgte (Abb. 4).
Im Anschluss wurde, weiterhin in absoluter Trockenlegung, die Präparation optimiert, indem alle Wände von unter 1 mm Dicke entfernt und adäquate Einschubwege für die approximalen Kästen hergestellt wurden (Abb. 5) 2. Am Ende der ersten Sitzung wurde eine Abformung genommen und der Zahn anschließend mit Ausnahme eines kleinen zentralen Areals für eine Semiadhäsion des Provisoriums mit Vaseline isoliert. Schließlich wurde der Zahn mit einem Füllungskomposit (Clearfil Majesty ES-2, Fa. Kuraray Noritake Dental) ohne vorherige Applikation eines Adhäsives provisorisch restauriert.

Abb. 2 Anlegen des Kofferdams und der Matrize, um einen freien Zugang für die CMR-Technik zu schaffen.